Jede Schwangerschaft, und insbesondere die erste, ist eine ganz besondere Zeit im Leben einer Frau. Neben ganz viel Gefühls- und Zukunftskino im Kopf, passiert still und heimlich, genauso wie laut und offensichtlich, unfassbar viel. Was einer Frau hilft, die während dieser Zeit sehr viele Ups, aber recht wahrscheinlich auch viele Downs erlebt, ist eine professionelle Betreuung vor, während und nach der Geburt. Jemand, der ein sicheres Gefühl vermittelt, eine vertraute Person, jemand der weiß, was er tut und das mit Herz und Seele – unsere Hebammen.
Die Situation der Geburtshelfer in Deutschland ist allerdings nach wie vor kritisch. Chronische Unterbesetzung und Überlastung in den Kliniken. Immer mehr Kreißsäle schließen, es mangelt an Personal und die Geburten lohnen sich finanziell schlicht und einfach nicht für die Krankenhäuser. Für die ländlichen Gegenden ein noch härterer Schlag: Zum Entbinden müssen dort lebende Schwangere oft viele Kilometer zurücklegen, um eine Klinik zu erreichen, die überhaupt eine Geburtsstation besitzt. Das wiederum führt zu noch mehr Überfüllung, zu noch größerem Personalmangel, zu noch schlechteren Grundvoraussetzungen für eine sichere Geburt.
Viele werden sogar noch während der Wehen weggeschickt, bekommen keinen freien Kreißsaal. „Zur Not können Sie ihr Kind auch im Flur bekommen.“, sagte eine Hebamme zu uns, nachdem wir stundenlang immer und immer wieder nach einem freien Kreißsaal gefragt haben. Aber immerhin, wir waren schon mal innerhalb der Klinik. Schließlich hatten wir uns ja auch Wochen zuvor brav angemeldet. „Sowas gab es früher nicht“, würde meine Mutter, wie so oft, sagen. Aber diese Anmeldung in einer Klinik ist tatsächlich notwendig, damit das Personal zumindest einigermaßen gut geplant werden kann. Die Wahrheit ist dennoch manchmal bitter. Eine Hebamme betreut heute meist mehrere Frauen gleichzeitig unter der Geburt. Das ist tatsächlich keine Seltenheit und jede werdende Mutter fühlt sich in so einer Lage natürlich alles andere als gut aufgehoben.
Der Beruf der Hebamme ist wunderschön und unbedingt notwendig. Doch die Arbeitsbedingungen haben sich verändert, der Verdienst ist gering, der Aufwand drumherum immens. Nicht mehr jeder ist heutzutage dazu bereit oder überhaupt in der Lage, die Freude am Job hinter seine Karriere zu stellen. Und wenn die Bedingungen und die selten hohe Einsatzbereitschaft einer Hebamme nicht mehr im Verhältnis zueinander stehen, erst recht nicht. Das ist verständlich.
Nicht weniger kritisch ist der Mangel an zur Verfügung stehenden Hebammen für die Vor- und Nachsorge. Am besten kümmert man sich bereits darum, wenn man einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hält.
Warum es sich trotz allem oder gerade deswegen lohnt, diesen Berufsweg einzuschlagen, was sich ändern sollte und was sich ändern wird – darüber habe ich mit der Hebamme Wibke Bohny gesprochen.
Warum hast du dich dazu entschieden Hebamme zu werden und wie lange übst du den Beruf inzwischen schon aus?
Ich bin inzwischen seit 11 Jahren Hebamme. Für mich stand schon sehr früh fest, dass ich einen reinen medizinischen Beruf ergreifen möchte. Ich habe dann in der 12. Klasse während der Sommerferien drei Wochen Praktikum in einem Kreißsaal gemacht und war gleich von der Atmosphäre dort fasziniert.
Wie viele Geburten hast du seitdem ungefähr begleitet?
Ich habe nach meiner Ausbildung 4 Jahre angestellt in einem Kreißsaal gearbeitet und dort circa 300 Geburten begleitet. Anwesend war ich aber bei ungefähr 600-700, würde ich sagen.
Kannst du dich noch an die erste Geburt erinnern, bei der du als Hebamme dabei warst?
Oh ja, ich glaube, die vergisst keine Hebamme. Ich war ziemlich aufgeregt, aber auch unheimlich stolz, endlich Hebamme zu sein. Es hat alles prima geklappt und die Eltern fanden es auch total schön, dass es meine erste Geburt war.
Bist du freiberuflich tätig, in einem Krankenhaus oder beides?
Ich arbeite im Moment freiberuflich in den Bereichen der Wochenbettbetreuung und der Schwangerenvorsorge, außerdem biete ich Geburtsvorbereitungskurse an. Ich habe eine Praxis mit lieben Kolleginnen in der Amandastraße in Eimsbüttel/Hamburg. Im Krankenhaus oder in der häuslichen Geburtshilfe arbeite ich gerade nicht.
Der Vorteil an der Arbeit, wie ich sie gerade mache, ist, dass ich mir meine Zeit relativ flexibel einteilen kann. Das hat zur Folge, dass ich bei einer Familie auch mal etwas länger bleiben kann, wenn ich das Gefühl habe, dass sie das brauchen. Und ich arbeite nicht im Schichtdienst, was ich ebenfalls als sehr großen Vorteil sehe. Andererseits habe ich aber auch keine geregelte Freizeit. Ich bin jeden Tag erreichbar, auch am Wochenende und an Feiertagen. Wenn ich in den Urlaub oder auch mal nur für ein Wochenende wegfahren möchte, muss ich das meist sehr weit im Voraus planen und mich um eine Kollegin kümmern, die mich in dieser Zeit vertreten kann.
Was sind für dich die schönsten Momente in deinem Beruf?
Zu sehen, dass ich mit meiner Arbeit Eltern dabei helfen kann, eine schöne Schwangerschaft zu erleben und einen guten Start mit ihren Kindern zu haben. Mir machen auch meine Geburtsvorbereitungskurse großen Spaß – wenn ich sehe, dass die Eltern nach einem Wochenende bei mir sicherer und gelassener in die Geburt gehen und sich in so kurzer Zeit viele Fragen klären lassen.
Was sind die unschönsten Momente?
Für mich ist es die Bürokratie, die natürlich auch nötig ist und zwangsläufig anfällt. Aber ich muss zugeben, dass ich das in den wenigsten Fällen gerne mache.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen es Mutter oder Kind nicht gut geht. Das sind auf jeden Fall weniger schöne Momente in meinem Beruf. Allerdings finde ich es dann sehr beruhigend zu wissen, dass ich diese Situation mit meiner Hilfe ein bisschen besser machen kann, auch wenn es manchmal nur ganz kleine Sachen sind.
Wie sieht die aktuelle Lage für Hebammen in Deutschland aus?
Die Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten und da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Der Hebammenberuf wird in Zukunft akademisiert und ich hoffe, dass dies die Wertigkeit unseres Berufs verbessert. Gerade geben leider immer mehr Kolleginnen ihre Arbeit als Hebamme auf, da unsere Haftpflichtversicherung stetig steigt – insbesondere für diejenigen, die in der außerklinischen Geburtshilfe oder als Beleghebammen arbeiten. Es lohnt sich dann häufig schlichtweg einfach nicht mehr, den Beruf auszuüben. Dazu kommen auch immer mehr administrative Auflagen und Aufgaben, die einerseits natürlich wichtig sind, aber auch Zeit und Geld kosten. Gerade für Hebammen, die in Teilzeit arbeiten, lohnt sich das freiberufliche Arbeiten dann oft nicht mehr. In den Kliniken wird leider auch immer mehr Personal eingespart, beziehungsweise ist es oft schwer überhaupt noch Hebammen zu finden, die unter diesen Bedingungen arbeiten möchten.
Was bedeutet dieser Mangel für die werdenden Mütter?
Schwangere müssen sich schon sehr früh um eine Hebamme kümmern, die sie während der Schwangerschaft und im Wochenbett betreut. Am besten sogar sobald sie wissen, dass sie schwanger sind. Und viele finden leider keine Hebamme, die sie betreuen kann. Das ist oft für Frauen, die das erste Kind bekommen ein Problem, da ihnen noch nicht bewusst ist, wie schwierig die Suche ist.
Denkst du, eure Verantwortung und euer Beruf wird allgemein unterschätzt?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Familien unsere Arbeit meist sehr wertschätzen. Allerdings fehlt uns oft die Rückendeckung der Politik, beziehungsweise habe ich das Gefühl, dass der Hebammenmangel von den Politikern total unterschätzt wird.
Was müsste geändert werden, damit sich die Situation bessert?
Wie eben kurz erwähnt, wird die Ausbildung zur Hebamme in den kommenden Jahren akademisiert werden. Ich empfinde das als eine große Chance für unseren Beruf und einen Schritt in die richtige Richtung. Ich erhoffe mir davon, dass wir eine größere Anerkennung erfahren und sich dadurch automatisch vieles verbessert.
Würdest du deinen Beruf immer wieder wählen und auch anderen empfehlen ihn auszuüben?
Ich mag meinen Beruf sehr und habe es auch noch nie bereut, ihn gewählt zu haben. Allerdings werden mir mit der Zeit die Nachteile immer bewusster. Ich studiere gerade neben meinem Beruf, um ein zweites Standbein zu haben. Trotzdem kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, ihn komplett aufzugeben und freue mich auch immer sehr, wenn ich höre, dass ihn jemand ergreifen möchte.
Ein Rat an alle werdenden Mamis?
Besonders durch die sozialen Medien können Mütter heute sehr viel mehr vergleichen als früher. Einerseits ist dies natürlich auch von großem Vorteil und sie kommen schnell an Informationen. Andererseits können diese Informationen auch schnell zu einem Druck führen. Stresst euch nicht. Vergleicht nicht so viel. Lasst euch und euren Kindern Zeit und versucht nicht perfekt zu sein.
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