Baby

Der Baby Blues

September 3, 2019

9 Monate lang sehnt man diesen ganz besonderen, magischen Tag herbei – die Geburt des eigenen Kindes. Man malt sich alles in den schönsten Farben aus: Als frisch gebackene Eltern mit einem zufriedenen, süßen Baby auf dem Bauch, überwältigt von Glückseligkeit und Liebe. Stimmt. Zumindest zum Teil. Denn was einen in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt noch für Gefühle überrennen, darüber spricht sehr selten jemand.

Dabei hat dieser Zustand sogar einen Namen: der Baby Blues – einfacher gesagt die berühmt, berüchtigten Heultage. Fast jeder hat sie, aber keiner sagt es. Ich wäre allerdings froh gewesen, wenn ich vorher gewusst hätte, dass es total normal ist und man keine Rabenmutter ist, wenn man sich erstmal von allem überrollt und wie ein Häufchen Elend fühlt.

„Ich habe höllische Schmerzen, bin erschöpft und könnte die ganze Zeit nur weinen – vor Glück, aber genauso auch vor Trauer, Sorge und Angst.“ Das habe ich noch nie von einer Neu-Mama gehört und erst recht nicht unter einem Instagram Bild gelesen. Alles ist das größte Glück, die Welt steht still und man weiß gar nicht, wohin mit seiner Freude. „Sobald du dein Baby im Arm hältst, sind sowieso alle Schmerzen und Strapazen vergessen.“, sagen euch ständig alle. So auch der Plan, klingt ja schließlich gut.

Die Realität sieht aber doch etwas anders aus. Hat man die Geburt hinter sich gebracht, sortieren sich erstmal alle Hormone völlig neu. Zusätzlich macht sich der körperliche Marathon gepaart mit Schlafmangel deutlich bemerkbar. Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit dem Baby schweben ständig über einem und von den anfänglichen Stillproblemen und den dazugehörigen Schmerzen (wie weh tut das eigentlich bitte?) mal gar nicht zu reden. Im Prinzip gleicht eigentlich der ganze Körper einer Großbaustelle. Alles tut weh, jede Bewegung ist zu viel, die schöne Schwangerschaftskugel, die man noch vor wenigen Stunden vor sich hergeschoben hat, ist nun ein schlaffer, leerer Sack und es läuft einfach überall: der Wochenfluss, die Milch und die Tränen. Hallo Wochenbett, hallo Baby Blues. So ist das also.

Was von Freunden und Familie erwartet wird: eine überglückliche Mutter, die bis zu beiden Ohren strahlt. Die Wahrheit ist aber, dass die bereits erwähnten, enormen hormonellen Umstellungen nach der Geburt für einen starken Abfall von Östrogen und Progesteron sorgen. Diese beiden Helferlein sind für eine positive Stimmung und für Entspannung zuständig und liefen noch während der Schwangerschaft auf Hochtouren. Wenn aber anschließend beides in dieser eh schon sehr sensiblen Lage fehlt, schlägt das natürlich ganz schön aufs Gemüt. Das Ganze passiert ungefähr 3-5 Tage nach der Geburt, hält für 1-7 Tage an und ist in der Regel völlig unbedenklich. Sollte der Zustand jedoch länger anhalten, schlimmer werden und kaum mehr alleine händelbar sein, solltet ihr euch Hilfe holen, denn dann kann es sich um eine richtige Wochenbettdepression handeln.

Dazu kommt die plötzliche Erkenntnis, dass aus der gewohnten Zweisamkeit nun eine ungewohnte Dreisamkeit geworden ist – aus dem Leben als unabhängiges Paar wird eine richtige Familie mit großer Verantwortung. Duschen geht nur noch in Rekordzeit, Essen zählt zu einem 5-Sterne-Menü, wenn es wenigstens noch lauwarm ist, das überwältigende Gefühl der Geburt geht einem wieder und wieder durch den Kopf, jeder äußert ständig und ungefragt seine Meinung und die Zimmernachbarin und man selbst bekommt eigentlich ein bisschen zu viel Besuch. Generell sind Besuche kräftezehrend, denn alle sind ein bisschen zu viel, zu laut, zu nah und zu weit weg von eurer im Moment so ganz eigenen Welt.

Die gute Nachricht ist, dass diese Tage vorbei gehen. Das bedrückende Gefühl und auch das ständige Geheule aus dem Nichts. Um sich selbst in diesen Tagen zu helfen, habe ich ein paar Tipps, die zumindest uns total geholfen haben, schnell wieder in die Bahnen zu kommen:

Versucht möglichst viel zu schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen. Da die Minis besonders in den ersten Tagen so wahnsinnig viel schlafen, nutzt einfach jede Gelegenheit das gleiche zu tun.

Redet viel mit eurem Partner über alles, ruhig auch immer wieder über die gleichen Sachen. Es ist ein absolutes Wunder, was da über einen ergeht, es braucht Zeit, bis der Kopf das verarbeiten kann.

Bondet mit eurem Baby – kuschelt und küsst es, sprecht mit ihm, singt ihm vor, lasst es auf eurem Bauch schlafen und sucht immer wieder Nähe. Das hilft nicht nur euch, sondern auch eurem kleinen Schatz.

Sucht euch Unterstützung von außen, wenn ihr euch danach fühlt. Besuch im Wochenbett ist nur wertvoll, wenn er was zu essen mitbringt oder eine helfende Hand im Haushalt hat, hat meine Hebamme immer gesagt. Umgebt euch mit Leuten, die verständnisvoll sind und Ruhe ausstrahlen.

Geht raus, sobald ihr könnt. Frische Luft und andere Menschen in ihrem normalen Alltag zu sehen, holt euch ein Stück zurück ins echte Leben.

Wenn ihr die Möglichkeit habt ein Familienzimmer im Krankenhaus zu bekommen, kann ich das absolut empfehlen! Ich hätte mir gar nicht vorstellen können, in der Nacht von meinem Mann getrennt zu sein und tagsüber lauter fremden Besuch auf dem Zimmer zu haben. Generell haben wir Besuch im Krankenhaus komplett abgelehnt.

Stillen. Ob es klappt oder nicht, liegt zwar nicht vollends in eurer Hand, aber wenn ihr stillt, schüttet der Körper Oxytocin aus, was wiederum für Glücksgefühle sorgt.

Besprecht den Geburtsverlauf mit eurer Hebamme und schreibt ihn euch auf. Es gehen euch wahrscheinlich immer wieder Situationen durch den Kopf, die ihr vielleicht noch nicht richtig einordnen und verstehen könnt.

Und das Wichtigste: Gebt euch und eurem Baby einfach alle Zeit der Welt. Ihr braucht so lange, wie ihr braucht, um alles zu verstehen, zu verarbeiten und euch kennenzulernen. Bei manchen geht es vielleicht super schnell, bei anderen nicht so. Und beides ist total in Ordnung, denn es muss sogar so sein. Die Natur macht das schon – und ihr auch!

In dem Sinne, eine schöne Baby Blues Zeit,

Britta

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