Baby

Wochenbett unplugged

Oktober 1, 2020

Stundenlanges Kuscheln und Baby beobachten, frisch verliebte Dreisamkeit.
100 Mal die süßen Füße küssen, Mini Händchen halten und die Welt kurz stehen lassen.

Das und nichts anderes schwebt wahrscheinlich den allermeisten Bald-Mamis und Papis vor, wenn sie an die Zeit des Wochenbetts denken. Und das ist gar nicht mal so verkehrt, denn immerhin sind das wirklich alles Dinge, die euch hoch und runter begleiten werden. Diese, aber eben auch noch diese ganz anderen Dinge. Nämlich die, über die nicht ganz so gerne gesprochen wird, wie darüber, dass das kleine Wunder beim Schlafen zu beobachten einfach das größte Glück der Welt zu sein scheint.

Alles andere möchte man eigentlich vorab gar nicht hören. Schließlich war das Ende der Schwangerschaft oder vielleicht sogar die gesamten 40 Wochen eh schon so kräftezehrend, dass man mit dem Zeitpunkt der Geburt des kleinen Menschen einfach nur noch Ruhe und Glückseligkeit haben möchte. Und keine Angst, die möchte ich mit diesem Beitrag auch niemandem nehmen, denn auch die gehört dazu. Aber eben nicht immer und nicht ausschließlich. Vielleicht ist es daher ratsam, auf die ein oder andere Begleiterscheinung des Wochenbetts vorbereitet zu sein.

EIN ÜBERBLICK

Faktisch gesehen beschreibt das medizinische Wochenbett den Zeitraum von 6-8 Wochen ab dem Tag der Entbindung. In dieser Zeit gilt für die frisch gebackene Mama ein striktes Beschäftigungsverbot.
Stattdessen steht ganz viel Ruhe, Regeneration und Kennenlernzeit auf dem Tagesplan. Während dieser Zeit passiert eine deutlich spürbare Hormonumstellung bei dir als Mama. Diese ist notwendig für die Bindung zum Kind, den Milcheinschuss und die Milchproduktion, die Rückbildung der Gebärmutter und einen seichten Schlaf für ständige Wachsamkeit.

Während dieser Zeit habt ihr Anspruch auf die Betreuung durch eine Hebamme, welche in den ersten 10 Tagen sogar täglich kommen darf und später dann in immer größer werdenden Abständen nach euch sieht.

Die Hebamme kümmert sich sowohl um das körperliche, aber auch – ganz wichtig und oft unterschätzt – um das seelische Empfinden der Mama. Sie beobachtet die Rückbildung, kontrolliert bzw. bespricht den Wochenfluss und die Wundheilung, egal ob spontane Entbindung oder Kaiserschnitt. Sie beobachtet die Entwicklung des Babys, die Gewichtszunahme, das Trinkverhalten, den Bauchnabel, hilft beim ersten Baden, gibt wertvolle Tipps beim Stillen und ist in dieser wahnsinnig sensiblen Phase eine wirklich große, emotionale Stütze für die Eltern.

Soweit zu den groben Fakten.
Was euch sonst noch so erwartet:

HALLO BABY

Ein kleiner Fun Fact zu Beginn:
Neugeborene Babys sind selbstverständlich super süß, aber vielleicht nicht unbedingt die schönsten Wesen der Welt. Denn so eine Geburt hinterlässt auch beim hübschesten Baby seine Spuren.

Meist sind sie von oben bis unten mit Blut und Käseschmiere überzogen, blau, rot oder beides und einfach ganz schön schrumpelig. Bei einer spontanen Entbindung haben die Babys außerdem einen verformten Kopf, weil die Schädelknochen sich beim Weg durch den Geburtskanal entsprechend verschieben mussten. Manche kommen sogar direkt mit super langen Fingernägeln auf die Welt – schneiden verboten. Aber keine Sorge, ihr selbst werdet euch sicher sein, dass ihr das bezauberndste Baby auf die Welt gebracht habt und tatsächlich entfalten sich die Kleinen von Tag zu Tag in einen richtigen, rosigen Wonneproppen.

GEBURTSVERLETZUNGEN

Auf die könnte wohl jede Frau liebend gerne verzichten, sie gehören aber in der Regel leider mit dazu.
Mal weniger schlimm, mal mehr. Also lieber erstmal vom Besten ausgehen, bevor du dich unnötig sorgst.
Am häufigsten treten Faserrisse am Damm oder im Scheidenbereich auf, die durch den Druck und die dadurch folgende Dehnung des Gewebes entstehen.

Bei einem richtigen Dammriss wird in vier Graden unterschieden. Grad 1 und 2 sind hierbei die häufigsten, welche mit einer kleinen Naht unter lokaler Betäubung verschlossen werden und im Nachhinein alleine abheilen können.
Größere Verletzungen, also Grad 3 oder 4, werden hingegen oft unter Vollnarkose genäht und müssen noch länger versorgt und nachkontrolliert werden. Hin und wieder kann es auch zu Blutergüssen im Vaginalbereich kommen. Dass ein bewusster Dammschnitt gesetzt wird, ist heutzutage Gott sei Dank sehr, sehr selten.

Wie auch immer deine Geburt verläuft – das Gehen, Sitzen und Stehen wird dir vermutlich erstmal schwer fallen. Die ersten Toilettengänge sind schmerzhaft und es kann anfangs passieren, dass beim Lachen, Husten oder Niesen auch mal was daneben geht. In sehr seltenen Fällen und bei starken Verletzungen kann sogar eine dauerhafte Inkontinez die Folge sein.

Die Verletzungen sind – das kann man leider nicht schön reden – wirklich unangenehm. Aber du wirst im Krankenhaus und/oder von deiner Hebamme bestens versorgt und Gott sei Dank schafft dein Baby dir die schönste rund-um-die-Uhr-Ablenkung.

WOCHENFLUSS

Der Wochenfluss beginnt unmittelbar nach der Geburt und hält bei den meisten Frauen ca. 2-6 Wochen an. Die ersten Tage kannst du dir vorstellen, als hättest du sehr stark deine Periode, mit der Zeit wird es dann deutlich weniger.

Anfangs solltest du dich mit extra großen Binden, in Fachkreisen auch liebevoll Surfbretter genannt, eindecken. Wenn du im Krankenhaus entbindest, wirst du gleich damit versorgt und kannst auch bestimmt einige davon mit nach Hause nehmen. Du findest sie aber auch in jeder Drogerie um die Ecke. Die ersten Tage liegst und sitzt du am besten immer auf Handtüchern oder Einmal-Wickelunterlagen, um unangenehme Unfälle zu vermeiden.

Außerdem helfen dir super große, super unschöne Unterhosen dabei, alles an Ort und Stelle zu halten. Das können zum Beispiel ganz normale Umstands-Baumwollhöschen sein, die du eventuell auch schon gegen Ende der Schwangerschaft getragen hast. Das hohe Bündchen gibt deinem Bauch zusätzlichen Halt, was gerade anfangs sehr angenehm ist.

STILLEN

Oh mann – das sind mitunter wirklich schlimme Schmerzen! Warum reden alle über die Geburt (und selbst das nicht richtig), aber keiner sagt, wie sehr das Stillen wehtut? Mir haben sich jedes Mal die Fußnägel aufgerollt, ich musste 10 Mal tief ausatmen und mir mit aller Kraft die Tränen wegdrücken.
Dabei hat mich meine Hebamme sogar gelobt, wie gut ich das wegstecke. Wie findet es denn dann jemand, der es nicht gut wegsteckt? Also sorry, liebe Bald-Mamis, aber das ist wirklich keine Freude. Vielleicht mag die ein oder andere Glück haben und alles als ganz harmlos empfinden, aber tatsächlich habe ich noch niemanden kennengelernt, bei der alles easy war. Daher müsst ihr euch zumindest nicht wundern, wenn ihr anfangs das Gefühl habt, es klappt alles überhaupt nicht und tut einfach nur weh.

Und: Nicht bei allen Frauen kommt der Milcheinschuss unmittelbar nach der Geburt. Manchmal dauert es ein paar Tage, was die Schmerzen anfangs noch verstärken kann.

Aber keine Sorge – auf die schlechte Nachricht, folgt auch immer eine gute: es wird von Tag zu Tag besser und irgendwann tut es gar nicht mehr weh. Bei mir war das nach ca. zwei Wochen der Fall, ich kenne aber auch Frauen, die länger damit zu kämpfen hatten. Da hilft im wahrsten Sinne des Wortes nur Zähne zusammenbeißen.
Die Realität sind nämlich wunde, teils blutige Brustwarzen, spannende Dolly-Buster-Brüste, verhärtete Knubbel durch kleinere Milchstaus, Schmerzen beim Liegen und bei Berührung.. und ein Baby, im Zweifel sogar mehrere, welches einfach nicht genug davon bekommt. Hallelujah. Hinzu kommt, dass manche Frauen, trotz eisernem Willen, gar nicht in der Lage sind zu stillen oder unter einer Mastitis leiden.

Stilleinlagen und die Waschmaschine werden deine treuesten Begleiter. Manchmal hat man das Gefühl, es ist einfach nur noch alles voller Milch. Das Baby, du selbst, das Bett, die Spucktücher. Da landet nicht nur das Baby im Milchkoma.

Aber trotz allem – das Stillen kann etwas ganz wunderschönes und inniges werden, was du mit deinem Baby erlebst. Sei dir aber auch bewusst, dass nicht jede Frau die absolute Erfüllung darin findet. Und auch das ist total legitim. Für manche ist es Mittel zum Zweck, für manche ist es DAS Ding, für andere funktioniert es einfach aus den verschiedensten Gründen überhaupt nicht. Hab am besten keine Erwartungen und lass es einfach auf dich zukommen.
Wenn du noch mehr zum Thema Stillen lesen möchtest, habe ich hier einige Gedanken dazu geteilt.

HORMONE

Die Hormone sorgen wahrscheinlich für das größte Chaos im Wochenbett. Es entfacht ein wahres Wechselbad der Gefühle – die seelischen Nachwehen der Geburt.

Mit dem Ablösen der Plazenta fallen die Schwangerschaftshormone rapide in den Keller, was dabei hilft, deine Rückbildung in Gang zu bekommen. Für deinen Körper ist das also etwas sehr unterstützendes, für deinen Kopf aber eine kleine Herausforderung.
Die Umstellungen führen bei den allermeisten Frauen zu nicht unerheblichen Stimmungsschwankungen. Auf der einen Seite hast du nicht enden wollende Glücksgefühle und dann bist du wieder unglaublich matt, ausgelaugt und traurig. Wundere dich also nicht, falls du dich ein paar Tage lang selbst nicht wieder erkennst. Das ist ganz normal und vor allem ist es auch wichtig, dass du es zulässt und darüber sprichst.

Diese emotionale Instabilität benötigt viel Zuspruch und Verständnis, was leider von Außenstehenden zu oft verkannt wird. Es kann sein, dass du dich im wahrsten Sinne des Wortes wie eine offene Wunde fühlst, super verletzlich und angreifbar bist. Achte auf dich und lass dir Zeit. Alle Besuche können warten. Es sind die Besuche am wertvollsten, die euch wirklich beiseite stehen. Die euch Essen mitbringen, etwas im Haushalt abnehmen können und euch auch schnell wieder die Dreisamkeit lassen. Denn jeder Besuch ist nicht nur für euch, sondern vor allem auch für das Baby eine kleine Herausforderung.

Facts:
50-70 % aller Frauen leiden nach der Geburt unter dem sogenannten Babyblues.
10-15 % haben eine richtige Wochenbettdepression.
In sehr seltenen Fällen kann es sogar zu einer Wochenbettpsychose führen.

BONDING

Um zwischendurch auch mal etwas zu schreiben, was euren Wochenbett-Wünschen sicherlich absolut entspricht: Die ganz intensive und unvergessliche Kennenlernzeit mit eurem kleinen Baby.

Im besten Fall hat der Papa direkt nach der Geburt erstmal ein bisschen Urlaub oder sogar Elternzeit. Und dann wartet eine wirklich spannende Zeit auf euch, in der ihr euch ganz in Ruhe als Familie einfinden könnt, eure neuen Rollen als Mama und Papa kennenlernt und ganz viel Geborgenheit und Nähe gebt und bekommt. Das Bonding ist dabei ein sehr wichtiger Bestandteil des Wochenbetts. Am besten im Haut-auf-Haut Kontakt mit dem Baby und so viel wie möglich. Wie der Name schon sagt, stärkt es die Bindung zu eurem Kind ungemein, fördert Vertrauen und bei dir als Mama sogar die Milchproduktion.

NACHWEHEN

Nach den Wehen ist vor den Wehen. Die sogenannten Nachwehen sorgen dafür, dass sich deine Gebärmutter nach der Geburt wieder auf ihre ursprüngliche Form zurückbildet. Die Schmerzen können von Frau zu Frau ganz unterschiedlich wahrgenommen werden und am häufigsten spürt man sie beim oder nach dem Stillen. Während des Stillens wird nämlich das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches wiederum wehenfördernd wirkt. Bei mir hielten die schmerzhaften Nachwehen einige Tage an und waren leider nicht ganz ohne – in einer Nacht sogar so schlimm, dass mein Mann mich ins Krankenhaus bringen wollte. Aber wie gesagt, kann das bei jeder Frau ganz individuell ausfallen. Auch das musst du auf dich zukommen lassen – mit dem vorherigen Wissen kannst du die Schmerzen aber sicher besser einordnen und verstehen.

DEIN KÖRPER

In Instagram-2020 sieht das so aus:
Frau bekommt ein Kind und steht eine Woche später wieder freudestrahlend mit selbstverständlich flachem Bauch auf dem Laufband, während der Papa das Baby und den Haushalt schaukelt und ein Selfie davon schickt, wie gut er alles im Griff hat. Anschließend geht´s mit Sack und Pack und Fönfrisur zum gemeinsamen Neugeborenen Shooting.

Aber welches Bild suggerieren diese Frauen in die Welt hinaus und welchen Druck baut es auf eine frisch gebackene Mama auf, die eben zu all dem nicht in der Lage ist und vielleicht oder ziemlich wahrscheinlich auch gar nicht sein möchte? Der allseits beliebte Hashtag #fürmehrrealitätaufinstagram sucht hier noch seine Erfüllung.

Die Zeit mit eurem Neugeborenen und die Regeneration deines Körpers sollten wirklich an oberster Stelle stehen. Und dazu gehören anfangs einfach keine stundenlangen Spaziergänge oder Sporteinheiten. Dein Körper hat während der Schwangerschaft und unter der Geburt absolute Höchstleistungen vollbracht und nicht umsonst hat das Wochenbett seinen Namen.

Die ersten 8-10 Tage solltest du daher, und das ganz ohne schlechtes Gewissen, viel liegen und nur aufstehen, wenn dir danach ist und du merkst, dass es dir gut tut. Insbesondere gilt das bei Kaiserschnitten, da es sich hier um eine wirklich große Bauch OP handelt.

Die gute Nachricht ist aber, dass die meisten Frauen recht schnell den Drang verspüren zwischendurch ein paar Schritte zu laufen. Wenn das so ist, bleib dran! Aber erwarte anfangs nicht zu viel. Mein erster Spaziergang ging einmal ums Haus und ich war so stolz, als hätte ich den Mount Everest erklommen.

Deine Haut am Bauch wird noch einige Zeit sehr weich sein. Du musst bedenken, dass sie sich über einen langen Zeitraum gedehnt hat und oft auch ebenso lange braucht, um sich wieder zurückzuziehen. Wahrscheinlich wirst du das Gefühl im Bauch erstmal als sehr merkwürdig empfinden. Da, wo vorher dein Baby gewohnt hat, ist jetzt erstmal nichts. Deine Organe wurden um Laufe der Zeit beiseite geschoben und brauchen ein bisschen, bis sie wieder an Ort und Stelle sind. Viele Frauen empfinden ihren Bauch anfangs als hohl und haben ein unsicheres Körpergefühl durch fehlenden Halt. Auch hier helfen die oben beschriebenen Oma-Höschen.

Solltest du während der Schwangerschaft unter Wassereinlagerungen gelitten haben, verschwinden diese nicht sofort mit der Geburt. Es braucht ein bisschen Zeit, bis der Körper das überschüssige Wasser wieder ausgeschwemmt hat, zum Teil einige Wochen.

Als wäre all das nicht genug, fallen dir einige Wochen nach der Geburt dann auch noch die Haare aus. Durch den Abfall der Östrogenproduktion (welche während der Schwangerschaft auf Hochtouren lief), kann es sein, dass du beim Waschen und Bürsten plötzlich büschelweise Haare in den Händen hältst. Wer ohnehin mit vielen Haaren gesegnet ist, wird es vielleicht gar nicht so sehr wahrnehmen.

Und last but not least: Es kann sein, dass du die ersten Male deiner Periode nach der Stillzeit als viel intensiver als vorher empfinden wirst. Eventuell sind die Blutungen und die Schmerzen stärker, die Dauer verändert sich oder allgemeine Begleiterscheinungen (wie z.B. PMS vor der Periode) kommen dazu.

 

Das ist es also, das Wochenbett unplugged.
Und trotz allen Punkten, über die ich hier geschrieben habe, kannst du ganz zuversichtlich sein, dass dich eine der schönsten Zeiten in deinem Leben erwarten wird. Früher oder später. Keine Mama ist wie die andere, kein Baby wie das andere, keine Geburt, keine Familie, kein Wochenbett. Vergleich dich nicht mit anderen,

lass dir, lasst euch Zeit und hört auf euer Bauchgefühl. ♡

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